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28.02.2014

Unsere Stimmen im Grossen Rat

„Exklusiv: Die elf Kantonsräte aus dem Einzugsgebiet des „Bote“ informieren abwechselnd monatlich aus dem Rat“.
Roman Giuliani: „Submissionsverordnung versus Architektur und Kunst“ Es war eine kontroverse Abstimmung über den weiteren Projektverlauf des Erweiterungsbaus des Kunstmuseums Thurgau in der Kartause Ittingen. Ein Entscheid, die nicht parteipolitisch gefällt wurde, sondern variabel durch alle Parteien sehr different betrachtet wurde. Wie wir wissen, hat sich die Mehrheit des Kantonsrates für die Weiterführung des bestehenden Projektes mit einem neuen Architektenteam entschieden. Die andere, von vielen Ratsmitgliedern getragene Meinung war, dass das Projekt mittels eines Wettbewerbes neu ausgeschrieben werden soll. Beide Szenarien haben sowohl ihre Vor- als auch ihre Nachteile; rechtliche, finanzielle wie aber auch politische Tücken. Der gewählte Weg, das bestehende Projekt weiterzuführen, wurde inzwischen aus rechtlichen Gründen, bezugnehmend u.a. auf die Verletzung der Submissionsverordnung, an eine höhere Instanz gezogen. Das Projekt scheint nun für längere Zeit auf Eis gelegt zu sein oder wird gar verhindert. Mir ist bewusst, dass bei Abstimmungen stets Vor- und Nachteile eines Verfahrens, eines Gesetzes, einer Strategie oder auch einer Ideologie differenziert betrachtet und eine Meinung gebildet werden muss. Kommt man aber bei einer Abstimmung in ein Dilemma, wo man genau spürt, dass sowohl ein Pro als auch ein Contra in eine jeweilige Richtung führen, die in einer Sackgasse enden, deutet dies darauf, dass entweder Fehler im Vorfeld gemacht wurden oder das System versagte. Bezugnehmend auf das Neubauprojekt in der Kartause Ittingen darf die Frage gestellt werden, und dies tue ich notabene sogar als Architekt, ob die Submissionsverordnung denn überhaupt als Mittel zur Vergabe von Architekturleistungen stets richtig ist. Bei definierbaren und klar umschreibbaren Arbeiten, wie wir sie bei Ausführungsgewerken im Baugewerbe vorfinden, ist die gängige Submissionspraxis unbestritten das richtige Mittel, um Aufträge fair zu vergeben. Wie sieht es aber bei einer zukünftigen zu erarbeitenden, gestalterischen Arbeit, die noch nicht konkret vorliegt, wie zum Beispiel einer Architekturleistung, einer Softwareentwicklung, bei gewissen Dienstleistungen, bei grafischen Konzepten oder bei Kunst aus? Selbstverständlich kann hier, und dies hinterfrage ich nicht, mittels eines professionellen Wettbewerbes mit jeweiligen Gestaltungsvorschlägen der BewerberInnen die Vergabe nachhaltig und richtig geregelt werden. Dies wurde leider beim Kunstmuseum verpasst und somit konnte kein Vergleichsprojekt für eine Überprüfung des Lösungsansatzes beigezogen werden. Es gibt aber auch Argumente, die dafür sprechen, dass eben in diesem entwerferischen und kreativen Prozess die Möglichkeiten von Direktvergaben geregelt sein sollten. Bei einem Kunstwerk ist es einfach nachvollziehbar, wenn ein Sammler, in diesem Beispiel die öffentliche Hand, ein Kunstwerk von einem bestimmten Künstler erwerben möchte, kann sie ja verständlicherweise nicht gut eine Auslobung machen, denn sie will ja ein Unikat eines vorher bestimmten und eindeutigen Künstlers. Übertragend auf die Architektur wird es juristisch spannend, wenn die durch eine Fachjury vertretene Gesellschaft eine bestimmte Architektin oder einen bestimmten Architekten für die Planung einer Baute beauftragen möchte. Dies kann sehr wohl Sinn machen, da explizit bei Museumsbauten die Architektur einer renommierten ArchitektIn oft eine ebenso starke Magnetwirkung für Besucher darstellt, wie die ausgestellten Kunstwerke an sich. Diverse Museumsbauten wie zBsp. die Fondation Beyeler, das Kunstmuseum Lichtenstein in Vaduz, das Schaulager in Basel oder das Aargauer Kunsthaus belegen dies. Insofern kann mindestens kulturell die Vergabe des Kunsthausprojektes im Thurgau an das mit dem Vorprojekt direkt betraute Architektenteam legitimiert werden. Kann und darf denn nun eine politische Behörde wie zum Beispiel der Grosse Rat, der fachlich zugegebenermassen kein Fachgremium ist, sich in einen Vergabeprozess eines kreativen, architektonischen Entwurfes einmischen? Muss in jedem erdenklichen Fall bei einer Vergabe die Submissionsverordnung berücksichtigt werden? Fragen, die politisch, rechtlich und kulturell, zusammen mit den Fachverbänden, sicher noch zu klären sind. Für das oben erwähnte Kunstwerk des ausgewählten Künstlers ist es wiederum klar; die Politik hat nichts im Findungsprozess der Anschaffung zu suchen. Eine Auswahl kann vielleicht bei traditionellem Kunst-Handwerk durch die Öffentlichkeit beurteilt werden. Kunst, per Definition der Gesellschaft voraus und hinterfragend, kann hingegen nicht demokratisch, daher auch nicht politisch beurteilt werden. Dies würde die öffentliche Auseinandersetzung mit ihr selbst und die geistige Entwicklung einer Gesellschaft einengen und zensurieren. Zeitungsartikel