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01.03.2016

Roman Giuliani: «Verhältnismässigkeit bei Hochbauprojekten»

Die Kantonsräte aus dem Einzugsgebiet des «Bote» informieren abwechselnd monatlich aus dem Rat.
Am 27. Januar 2016 wurde von den beiden Kantonsräten Daniel Wittwer und Walter Marty die Motion «Wirtschaftlichkeit und Verhältnismässigkeit bei Hochbauprojekten » eingereicht. Die Motionäre verlangen mit diesem parlamentarischen Vorstoss die Regierung auf, dass sie einen Beschluss nach kantonalem Recht ausarbeitet, dies unter dem Vorbehalt, dass der Grosse Rat, also das Parlament, diesen Auftrag verbindlich erklärt. Mir geht es in diesem Aufsatz nicht explizit um eine Meinungsbildung oder eine Stellungnahme, mir geht es mehr darum, wie ich persönlich ein Grossratsgeschäft begleite und wie ich mir Gedanken darüber mache und mir eine Meinung darüber bilde. Sämtliche pendenten Geschäfte im Kantonsrat sind auf der Homepage kttg.ch unter Parlament in der Geschäftsdatenbank (GRGEKO) abrufbar. In unserer Fraktion tragen sich jeweils zwei Personen für eine Begleitung eines Geschäftes ein. Dies kann nach den beruflichen Qualifikationen oder auch nach eigenen Interessen geschehen. Die Ratsmitglieder Wittwer und Marty bezweifeln, dass bei öffentlichen Bauten die Investitionen nicht nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Verhältnismässigkeit nachgelebt werden. Sie haben die Idee, dass die Baukosten mit einer Vollkostenrechnung effizienter und günstiger, verhältnismässiger und unterhaltsfreundlicher erstellt werden können. Ich stelle mir vorerst die Frage, ob denn unsere öffentlichen Bauten überhaupt unverhältnismässig oder gar luxuriös erstellt werden?

Vorstoss hat zwei Seiten

Für mich hat der Vorstoss zwei Seiten. Ich sehe in einer Vollkostenrechnung tatsächlich ein gewisses Potenzial, dass Bauten auf die Dauer effizienter und günstiger zu unterhalten werden könnten. Dieser Aspekt könnte noch stärker in die Kriterienliste einer öffentlichen Ausschreibung respektive Juryierung miteinbezogen und mitgewertet werden. Ebenfalls muss selbstverständlich die bestehende Bausubstanz in eine Vollkostenrechnung miteinbezogen werden. Hingegegen kann bei einem öffentlichen Bau der Wert des Grundstückes nicht Teil dieser Überprüfung sein. Dies aus dem Grunde, da öffentlich genutzte Gebäude stets einen gesonderten, teilweise gebundenen Standort haben und diesen auch besetzen dürfen.
Bei der Verhälnismässigkeit sehe ich hingegen kein Potenzial einer weiteren, zusätzlichen Darlegung der Investitionsabsichten gegenüber der heutigen Praxis. Öffentliche Bauten haben hinsichtlich Ökologie, Langlebigkeit und Gestaltung eine Vorbildfunktion. Diese darf auf keinem Fall durch eine kurzfristige Kosten-Nutzen Analyse verhindert oder geschmälert werden. Bauten mit öffentlichem Charakter sind langfristige, überliefernde Träger unserer Kultur und unserer Gesellschaft.
Eine Kultur wird stets an ihren Bauten gemessen und betrachtet. Dies ist ein enorm zentraler Aspekt einer Baute, den wir nie aus den Augen verlieren dürfen. Mit der heutigen öffentlichen Submission im Konkurrenzverfahren erfüllt die Auswahl eines Gebäudes, insbesondere dessen Funktionalität und Gestaltung, bereits die von den Motionären verlangte Verhältnismässigkeit. Der Kanton Thurgau setzt die öffentliche Ausschreibung bei seinen Bauprojekten vorbildlich um. Bei Schul-, Kirchen-, Stadt- und Gemeindeverwaltungen sowie bei kantonalen Aktiengesellschaften ist hingegen bei den Auswahlverfahren noch Potential vorhanden. Dies würde langfristig bestimmt zu wirtschaftlicheren und auch verhältnismässigeren Bauten auch in diesen Kommunen und Institutionen führen.

Auf Beantwortung gespannt

Nun wird die eingereichte Motion vom Finanz- und Baudepartement bearbeitet und nach Ausgangslage, formeller Behandlung, Vergleiche zu anderen Kantonen beantwortet und mögliche Szenarien ausgearbeitet, dies stets unter juristischen und finanzpolitischen Aspekten. Schlussendlich endet dieser Prozess durch die Beantragung des Regierungsrates an den Grossen Rat mit der «erheblich» oder «nicht erheblich» Erklärung der Motion. Die Bearbeitungszeit durch den Regierungsrat einer Motion beträgt ein Jahr. Sind wir also auf die Beantwortung gespannt.
Vielleicht ändert sich meine eher kritische Haltung durch die Antwort der Regierung und es können noch weitere, von mir nicht berücksichtigte, Aspekte miteinbezogen werden. Für mich bleibt der politische Prozess und der Reiz an der Kompromissfindung anhand dieses Beispiels stets spannend und interessant und animiert mich immer wieder von neuem, am politischen Prozess mitzuarbeiten, mitzugestalten und teilzunehmen. Diesen Artikel finden Sie im Bote vom Untersee und Rhein - 1. März 2016